Die Erfolgsrezepte von H&M, Zara & Co: Ist „Fast Fashion“ tot oder riecht sie nur komisch?

Betrachtet man die Zeitreihe der Top100 der Best Global Brands, wird eins deutlich: “Fast Fashion” allein funktioniert nicht mehr. 

Die Corona-Pandemie, der wachsende Onlinehandel und der immer lauter werdende Ruf nach Nachhaltigkeit zwingt alle Fashion-Brands zum Umdenken. Marken, die diese Notwendigkeit früh erkannt haben, sind jetzt ganz klar im Vorteil während die “Late-Adopter” spürbare Nachteile haben. Es wird Zeit, dass die Fashion-Marken klare Ziele für mehr Nachhaltigkeit und Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung definieren, sonst werden sie sich im Wettbewerb langfristig nicht durchsetzen können.

Die erst kürzlich veröffentliche Studie des „Circular Fashion Index 2022“ von Kearney  macht die Notwendigkeit zu handeln nochmal sehr deutlich. “Kein Zweifel: Die Modebranche hat  sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre auf den Weg gemacht und viel angepackt, um den Lebenszyklus ihrer Waren zu verlängern und die Umweltrisiken zu reduzieren”, sagt Dr. Mirko Warschun, Autor der Studie. “Sie steht indes immer noch am Anfang eines längeren Weges, der über Recycling, längere Haltbarkeit, Mietmodelle und verbesserte Pflegehinweise reicht”, so der Handelsexperte von Kearney. 

Die Fashionlables Patagonia oder Levi’s aber auch Luxusmarken wie Gucci oder Coach zählen zu den Vorreitern in Sachen Nachhaltigkeit und zeigen mit innovativen Ansätzen, dass die Modebranche aktiv werden kann und muss.  

Aus unserer Arbeit mit den führenden Fashion-Marken wissen wir: das alte Erfolgsrezept von Fast-Fashion allein funktioniert nicht mehr.

  1. Highstreet Stores + schnelle Sortimentswechsel + günstige Produktion + Fokus auf junge und schnelllebige Zielgruppen reichen heute nicht mehr.
  2. Die Rahmenbedingungen und die Kundenbedürfnisse haben sich insb. in den letzten 2 Jahren rasant verändert, hin zum Wunsch nach nachhaltigeren und faireren Produktionsbedingungen und Produkten; Re-Fashion hat heute genauso einen festen Platz im Kleiderschrank wie „Wegwerfmode“. 
  3. Nicht nur aus gesellschaftlich-moralischer Perspektive, sondern auch aus monetär-wirtschaftlicher Sicht gerät das Geschäftsmodell von Fast-Fashion spürbar unter Druck.

Beispiel: H&M vs. Zara

H&M ging seit 2008 im Ranking zu Beginn kontinuierlich nach oben; der Höchststand war dann 2016 (22‘681 $m) erreicht. Seitdem ist ein starker Abwärtstrend zu erkennen. 2020 ist die Fast Fashion Brand mit 14‘008 $m nur noch unwesentlich über dem Einstiegswert von 2008 (13‘840 $m) zu finden. Dieses Jahr ist nun eine Wertstabiliserung zu erkennen und zum ersten Mal seit 5 Jahren verzeichnet der Konzern wieder ein leichtes Wachstum (14‘133 $m).

Der Konkurrent Zara ist seit 2005 im Ranking mit dabei; auch hier war lange ein kontinuierlicher Aufwärtstrend zu sehen. Der Höchststand war 2017 mit 18‘573 $m. Im Jahr 2018 konnte Zara den Markenwert von H&M erstmalig übertreffen, beide Marken befanden sich dort allerdings schon wieder in der Abwärtsbewegung. 2021 fällt Zara dann mit 13‘503 $m wieder hinter H&M zurück. Während H&M 2021 den Abwärtstrend stoppen konnte, geht es bei Zara weiterhin bergab. 

Wo ist also der Unterschied?

H&M hat bereits 2018 die ersten Sustainability-Initiativen gestartet und in 2020, befeuert von der Pandemie, hier das Tempo deutlich angezogen. Dieser spürbare Kurswechsel von Fast Fashion hin zu mehr nachhaltiger Mode und Produktion ist jetzt einer der treibenden Faktoren dafür, dass sich der Markenwert von H&M stabilisieren konnte. Zara hat sich erst in diesem Jahr dem Thema mit mehr Nachdruck gewidmet, wie bspw. mit der Veröffentlichung eines Sustainability Manifestos, was sich jetzt auch in der Markenstärke und damit im direkten Zusammenhang auch im Markenwert widerspiegelt.

Warum geben also nicht alle Fashion-Marken Gas und drehen von heute auf morgen ganz massiv die Marken auf Nachhaltigkeit? 

Beispiel Nike & Sustainability 

Wichtig zu beachten ist, dass die Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit für die Fashionbranche eine Mammut-Aufgabe ist. Solche Transformationsprozesse brauchen sehr lange, bis zu 15 Jahre zur kompletten Umstellung, wenn die Unternehmen in der Übergangsphase nicht das Risiko eingehen wollen, an der Veränderung wirtschaftlich zu zerbrechen. Entscheidend ist, dass die Marken die Notwendigkeit einer Umstellung erkennen und für sich ein erreichbares Ziel – eine klar formulierte Ambition – formulieren und davon ausgehend den Transformationsprozess gestalten.

2019 hat Nike mit dem „Move to Zero“ eine sehr klar formulierte Ambition für mehr Nachhaltigkeit definiert und für dem Weg zur Erreichung dieser Ambition auch klare Zwischenziele abgesteckt und dafür notwendige Maßnahmen ins Leben gerufen. 

Bild:Nike

Wie kann es also sein, dass selbst Rückschläge, wie das Schreddern von Retouren weiterhin stattfinden?

Aus Markensicht ist es für den Transformationsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit essenziell, erst einmal an den großen Schrauben zu drehen; das bedeutet: Produkte und Produktentwicklung, Produktionsabläufe, Lieferketten, Materialien etc. umzustellen und so die größten Herausforderungen zuerst zu bekämpfen.

Natürlich wäre es wünschenswert, dass alle Relikte der „alten Zeit“ gleichzeitig abgestellt werden – Unternehmen haben und hatten aber schon immer das Problem, Herausforderungen priorisieren zu müssen. 

Wie mit Retouren umgegangen wird, ist von außen betrachtet zwar ein großer und wichtiger Aspekt, im Gesamtkontext der massiven Transformation, die Fashion-Marken durchlaufen müssen, ist es allerdings nur ein Teil von vielen. 

Wichtig ist, dass erkannt wird, dass hier Dinge ablaufen, die zur Erreichung der eigenen Ziele abgestellt werden müssen – und, dass das dann mittelfristig auch passiert

Aber: Nike zeigt an breiter Front, wie ernst es ihnen mit der Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung ist. Das Wachstum des Markenwerts und Zugewinne in der Markenstärke, die klar darauf zurückzuführen sind, zeigen, dass Nike als einer der Vorreiter der Branche, hier auf dem richtigen Weg ist.

Doch selbst bei Nike konzentrieren sich diese Schritte vor allem auf die Produktion von neuen Produkten; Themen wir „circularity“ oder „re-fashion“ stehen hier noch weit am Anfang. 

Der Weg, den Nike eingeschlagen hat, wird in den nächsten Jahren immer wieder holprig sein, aber er wurde ernsthaft eingeschlagen und das Ziel von Nike ist klar – ein Ziel, das alle Marken der Fashion-Branche brauchen, um in den sich veränderten Rahmenbedingungen überleben zu können, denn Fast Fashion allein reicht nicht mehr aus.